Die Kreativität kann beginnen!
Ach, Housesitting. Was für eine geile Sache! Den ganzen Monat freue ich mich schon darauf und heute kann ich endlich meine Sachen packen und in die wunderschöne Fränkische fahren, um dort auf das Haus einer lieben Kollegin aufzupassen, und auf ihren Kater. Natürlich verrate ich nicht, wer diese Kollegin ist, und verrate auch nicht, wo es mich hin verschlägt – ein bisschen Privatsphäre meiner Wohltäter muss schon sein. Aber ansonsten: Ein Traum! Absolute Ruhe! Genug Zeit, um meinen aktuellen Roman fertig zu überarbeiten – und mit ein bisschen Glück kann ich sogar noch ein paar andere Projekte voranbringen!
Natürlich muss ich mir vorher die ganzen blöden Scherze darüber anhören, wie viele Horrorfilme genau so anfangen. Aber Alter. Ich bin Mystery- und Horrorautor. So schnell bringt mich nix aus der Fassung. Und ein einsames Haus im Wald schon gar nicht.
Tauchfahrt in die Stille.
Alleine die Fahrt dahin ist ein Traum! Ich komme durch Täler, in denen rechts und links felsige Hänge in die Höhe wachsen, erste Obstbäume schlagen aus und die Blüten frieren sich den Arsch ab, in diesem knackig eisigen Wind, der eigentlich eher in den Winter gehört, als in den Frühling. Aber weil ich davon im Auto nichts mitbekomme, stört mich das nicht.
Mein Ziel führt mich offenbar in ein wirklich abgelegenes Eck der Fränkischen Schweiz, mein Navi verschluckt sich nämlich mehr als nur einmal. Es macht mir nichts aus. So komme ich auf verlassene Straßen, die so eng und verwildert sind, dass der Asphalt aufgebrochen ist, und sich Gras in Büscheln herausstreckt. Manchmal geht es rechts und links ein paar steile Böschungen herab, und wenn mir ein Fahrzeug entgegen käme, müssten wir wahrscheinlich mehrere hundert Meter zurücksetzen, um einen Platz zu finden, der breit genug ist, damit wir beide sicher aneinander vorbeifahren können. Aber seit über einer Stunde bin ich keinem Fahrzeug mehr begegnet.
So muss es im Himmel sein!
Die Natur ist wunderschön, ich komme an verlassenen Anhöhen vorbei, von Magergras und seltenen Blumen bewachsen, von Felsbrocken gesprenkelt. Nirgends Parkplätze oder sonstige Spuren von Zivilisation. Ich kann die Natur atmen hören.
Ein verschrobener Scherz.
Als sich das Tal endlich vor mir öffnet, bin ich fast ein bisschen enttäuscht. Nach dieser wunderschönen Einsamkeit schmerzt die Begegnung mit Menschen. Es ist wie der Lärm eines umstürzenden Orchesters nach einem Augenblick der Stille.
Die Ortschaft ist schön, keine Frage. Sie sieht aus, als wäre sie in der Zeit stehen geblieben: Wunderschöne Fachwerkhäuser und dicht bewachsene Gärten; die Straßen sind so eng, dass ich Angst habe mir die Reifen an den Bordsteinkanten aufzuschürfen, und die groben Pflastersteine zwingen mich zur Schleichfahrt.
Das macht mich zur willkommenen Zielscheibe für die Anwohner. Köpfe werden aus den Fenstern gestreckt und Leute bleiben am Straßenrand stehen. Sie sehen nicht freundlich aus, aber das kann ich mir auch einbilden. Als mich eine Mutter und ihr Kind mit offenem Mund anstarren, packe ich die Gelegenheit beim Schopf, öffne das Fenster, und will nach dem Weg zu meiner Wunschadresse fragen. „Entschuldigung…“, fange ich an, aber das Kind fängt an zu weinen, die Mutter beschirmt es mit ihren Händen und zieht es fort. Mir wirft sie einen letzten Blick zu, den ich nicht einordnen kann. Es sieht fast wie Mitleid aus.
Als ich weiterfahren will, krallen sich zwei Hände in mein offenes Fenster hinein. „Hör mal Kumpel“, sagt jemand, dann streckt sich ein glatt rasiertes Gesicht in meine Fahrerkabine. Der Bursche ist vielleicht zwanzig Jahre alt, hat einen Blaumann an, blonde Haare und grüne Augen. „Ich weiß, warum du hier bist. Jeder weiß, warum du hier bist.“ Er macht eine Geste, die die ganze Ortschaft zu umfassen scheint. Anwohner, die seinem Blick begegnen ziehen sich zurück und Köpfe verschwinden in Fenstern wie Schneckenfühler in Schneckenhäusern. „Wir alle kennen das Haus, das du suchst.“ Er sieht mich ernst an. Ich versuche ihn freundlich anzulächeln und habe keine Ahnung, ob mir das gelingt. Eine Wirkung hat es jedenfalls nicht.
„Hören Sie“, er hat plötzlich zum Sie gewechselt, als ob er hoffen würde, dass ich ihm dann besser zuhöre, „Sie glauben vermutlich zu wissen, wer Sie hierher eingeladen hat. Sie glauben diese… Person vielleicht sogar zu kennen.“ Er sieht sich um. Die Straßen sind plötzlich wie ausgestorben. Er holt Luft, als müsse er Mut sammeln. „Es ist ein Irrtum.“
Er sieht mich so eindringlich an, dass ich nach Worten fische.
„Ich…“
„Drehen Sie um“, sagt er. „Bitte.“ Dann sieht er mich so eindringlich an, dass ich eine Gänsehaut bekomme.
Dann endlich verstehe ich. Und fange an zu lachen. „Verdammt nochmal, fast hättet ihr mich gekriegt!“ Meine Gastgeberin hat mir gesagt, dass in dieser Ortschaft jeder jeden kennt. „Bietet dem Mystery-Autor einen passenden unheilvollen Empfang, was?“ Ich blase die Backen auf, „Chapeau, mein junger Freund, das war wirklich beeindruckend!“ Er will noch etwas sagen, aber ich lasse den Wagen davon rollen und sehe zu, wie seine Hände von der Innenseite meiner Fahrertür gleiten. „Ich habe die Abzweigung schon gefunden, die ich nehmen muss“, rufe ich ihm hinter her, „Danke, Mann! Das war echt eine großartige Show!“
Im Rückspiegel kann ich sehen, wie sich die Köpfe wieder aus den Fenstern schieben, als ich den Wagen auf den zugewucherten Feldweg steuere, aber bald schon hat der Wald sie alle verschluckt. Es ist ein majestätischer Wald. Die Bäume sehen alt und knorrig aus, die Blätter so grün, das sie schon fast schwarz wirken. Und als ich schon fast glaube, dass ich mich verfahren habe, öffnet sich eine Lichtung, und dieses wunderschöne, einsame Haus ragt vor mir auf.
Einsamkeit und Schatten.
Ich gebe zu: Ich bin ein bisschen beunruhigt, als ich dieses Haus betrete. Ich meine, wie die mich in dem Kaff angesehen haben… Abgesprochen oder nicht, das war dann doch ziemlich… intensiv. Aber sobald ich die Tür öffne, verfliegen meine Sorgen. Es ist ein herrliches Haus, in dem sich die Bücher stapeln; alles ist gemütlich, der Kühlschrank ist voll mit leckeren Lebensmitteln, Wein wurde für mich bereit gestellt, und eine Flasche Whisky steht auf dem Tisch. Es riecht angenehm nach Papier und Holz und den Rauchresten des letzten Feuers im Schwedenofen. Der Wind verfängt sich im Haus; die Balken ächzen und knarren. Es hört sich an, als würde dort jemand herumlaufen, denke ich. Dann muss ich lachen. Dieser Dorftyp hat mit seiner Geschichte doch tatsächlich Eindruck bei mir hinterlassen.
Ich wische diese Gedanken beiseite und packe meine Sachen aus; dann werfe mich auf die Couch, die ich sofort zu meinem persönlichen Arbeitsplatz erkläre. Der Kater springt von seinem Sessel und beginnt mich zu umschleichen. Ich mache nicht den Fehler ihn streicheln zu wollen, sondern lächle ihn nur an. „Keine Sorge, mein pelziger Freund, von mir brauchst du keine Streichelattacke zu befürchten.“ Er sieht mich nur an. Dann springt er zurück auf seinen Sessel. Draußen auf der Terrasse fliegen die Vögel auf. Es interessiert ihn nicht. Er sieht mich immernoch an. Als ich die erste Weinflasche entkorke liegen seine Augen noch immer auf mir. Wobei. Ich weiß nicht. Irgendwie sieht es so aus, als würde er die Schatten beäugen, die im Zuge des nahenden Abends auf mich zukriechen. Ich gebe zu, allmählich macht mich das nervös. Aber was solls. Ich hab keine Zeit für sowas. Ich will ja einen Housesitting Bericht schreiben. Und meinen Roman überarbeiten.
Der Wein ist großartig! Kirsche und Brombeeren in der Nase, ein Hauch Vanille, und auf der Zunge prickelt er so intensiv, dass man fast glauben könnte, man hätte ihn mit Kohlensäure abgefüllt.
Die Schatten werden länger.
Der Kater glotzt.
Der Wind bläst.
Das Haus knarrt.
Es klingt wie Schritte.
Ich sollte weiterarbeiten.
Housesitting – Tag 2
Ein blutiger Start in den Tag.
Verdammt nochmal, was für ein beschissener Start in den zweiten Tag. Offenbar hab ich mich heute Nacht heftig aufgekratzt – ich bin aufgewacht und sehe zu meinem großen Vergnügen, dass die ganze verdammte Bettwäsche vollgeblutet ist. Überall an meinen Beinen hab ich Kratzer, an meinem Rücken, an der Innenseite meiner Arme – ziemlich tief und gerade. Wenn ichs nicht besser wüsste, würde ich glauben, mich hätte jemand genüsslich mit einem Messer bearbeitet, während ich geschlafen habe. Schwachsinn natürlich.
Allerdings kann ich nur kleine Schritte gehen. Wenn ich zu schnell gehe, oder zu weit ausschreite bricht der Schorf wieder auf und ich blute die ganzen Treppen voll. Hier im Treppenhaus riecht es sowieso schon, als hätte jemand ein Schwein geschlachtet. Ekelhaft. Und als ob das noch nicht reicht, kommt auch noch der Kater vorbei, leckt das Blut von den Treppenstufen und kotzt es dann mitsamt dem Katzenfutter in die Küche. Lecker.
Als ich es mit Küchenkrepp aufwische kann ich spüren, wie warm das Zeug noch ist und wie es herumglibbert; das Krepp saugt sich voll, bevor ich den Abfalleimer erreiche und ich beschmiere meine Hände mit blutigem Schleim, frisch gezapft aus dem Katzenmagen. Schnell zum Spülbecken, aber egal wie oft ich meine Hände wasche, der Geruch nach blutiger Katzenkotze geht einfach nicht weg.
Strom – das Heroin der modernen Welt.
Ich muss mich ablenken.
Meine Handykamera steht in ihrem Stativ und blinkt. Offenbar hat der Kater gestern Nacht den Bewegungsmelder ausgelöst. Ich sehe, dass die Auto-Upload App mein Video noch in die sozialen Netzwerke hochgeladen hat. Und dann fällt mir ein, was für einen paranoiden Schwachsinn ich gestern in das Objektiv gelabert habe! Großartig. Jetzt kann mir die ganze Welt dabei zusehen, wie ich mir in die Hose mache. Besser kann man sich den Ruf eines Horror-Autors vermutlich kaum versauen – vielleicht sollte ich doch die verdammte Romanze schreiben, wer weiß das schon. Ich überlege, ob ich mir meine Schande ansehen soll, (außerdem will ich wissen, was der Kater angestellt hat, um den Bewegungsmelder auszulösen), aber dann sehe ich, dass hier Stromausfall herrscht und beschließe, dass es wahrscheinlicher schlauer ist, Akku und mobiles Internet zu sparen. Wer weiß, für was ich das hier noch brauchen kann. Wer weiß, wann der Strom hier wieder angeht.
Für einen Moment überlege ich, ob ich einfach runter in den Ort fahre. Oder in die nächste Stadt. Aber dann stelle ich mir den Burschen in seinem Blaumann vor, wie er unten in der Ortschaft auf mich wartet, und mir das Video unter die Nase hält, das meine App gestern hochgeladen hat, und ihm deutlich zeigt, welche Wirkung der kleine Willkommensscherz bei mir ausgelöst hat. Ich kann seinen ausgestreckten Finger schon sehen, und das Gelächter, das aus den Häusern auf mich nieder geht. Hoho, Herr Horror-Autor, da hat aber jemand ein paar frischer Unterhosen nötig, was? Nein danke.
Hab ich schonmal erwähnt, was für ein beschissener Start das in einen zweiten Tag ist?
Der Strom und das Internet kommen in kurzen Stößen wieder. Es ist, als hätte das ganze Stromnetz einen Schluckauf, oder einen epileptischen Anfall. Ich hänge meine Geräte an den Saft und hoffe, dass sie wenigstens ein bisschen Strom abkriegen, auch wenn diese Schwankungen der Hardware vermutlich nicht gut tun. Das Internet erwische ich nie rechtzeitig. Als würde es darauf lauern, dass ich unaufmerksam bin. Egal. Ich automatisiere meine Uploads. Zwar laufe ich dann wieder Gefahr, eine Peinlichkeit ins Netz zu schießen, aber je tiefer die Sonne zum Horizont sinkt, desto geringer sind meine Sorgen um meinen Ruf.
Essen heilt die Seele! Manchmal…
Mein Magen knurrt und erinnert mich daran, dass es mittlerweile schon fast wieder Nachmittag ist. Außerdem ist da ja ein ganzer Kühlschrank voller Leckereien! Nachdem ich meine Hände mit Deo eingesprüht habe, um den Geruch von Katzenkotze zu überdecken, stürze ich mich auf eine epische Mahlzeit. Ich verschlinge fränkischen Leberkäs, Landschinken, schweizer Gruyere, Tomaten, Gurken, Karotten und Sellerie, dazu ein Bauernbrot, das köstlich herzhaft ist, außen knackig, und innen weich.
Nachdem ich ein halbes Laib Brot gegessen habe, bestrichen mit einem Pfund selbstgemachter Butter, beschleicht mich ein komisches Gefühl. Es dauert eine Weile, bis ich rauskriege, woran das liegt. Mein Hunger. Er ist nicht weniger geworden. Acht weitere Brotscheiben später wirds nicht besser, und das, obwohl ich noch sieben Eier hinterher schiebe, 400 Gramm gebratenen Räucherspeck, dazu zwei Dosen gebackene Bohnen und eine schale gebratener Champignons, die ich mit einem Netz aufgeschnittener Kirschtomaten abgelöscht und anschließend karamellisiert habe.
Wahrscheinlich liegts daran, weil ich gestern nichts gegessen hatte, vor lauter Aufregung.
Zwei Kannen Kaffee und fünf Stück fränkischem Rhabarberkuchen später fühle ich mich noch immer so schwach wie vorher. Na ja. Erstmal hinsetzen. Arbeiten. Der Magen soll sich seine Zeit nehmen, die Kalorien in meine Knochen zu pumpen.
Ein kranker Geist wohnt in einem kranken Körper…
Irgendwie scheint mein Magen eher Kalorien zu verbrennen, als sie zu verarbeiten. Ich kann mich kaum konzentrieren. Einmal dämmere ich kurz weg, mache die Augen auf und sehe, dass ich eine ganze Szene revidiert habe. Es gibt wirklich Schlimmeres! Dann allerdings lese ich, was ich da geschrieben habe. Es ist seltsam. Es ist, als hätten meine Figuren ein Eigenleben entwickelt… das machen sie ja immer, und ich finde das absolut großartig – aber diesmal nicht. Ich kann kaum glauben, dass ich das geschrieben haben soll. Es ist, als ob mich meine Figuren plötzlich aus dem Text heraus anstarren würden. Sie schweigen. Sie grinsen, und verflucht, es ist ein Grinsen mit Blut und Fleischstücken zwischen den Zähnen. Die Handlung geht in eine völlig andere Richtung, und ich kriege es mit der Angst zu tun.
Weg mit dem Text.
Ruh dich aus.
Es ist schon wieder Abend.
Es wird schon wieder dunkel.
Der Kater hockt in der Ecke und starrt mich wieder an.
Jedesmal, wenn sich unsere Blicke treffen, beginnt er zu würgen.
Und ich habe so einen wahnsinnigen Hunger…
Jetzt bereue ich, dass ich nicht in die Ortschaft gefahren bin.
Das verdammte Knarzen fängt schon wieder an.
Housesitting – Tag 3
Da ist jemand mit mir im Haus!
Es ist mitten in der Nacht, ich blute wie ein Schwein, und es sind schon wieder Aufnahmen hochgeladen worden! Diesmal war der Bewegungsmelder aber gar nicht an, und schon deswegen kann es nicht der Kater gewesen sein! Außerdem hat irgendjemand das Telefon aus dem Stativ gepflückt und es auf mein zweites Kopfkissen drapiert wie ein Minzplätzchen im Hotel …
Ich möchte so gern sehen, was da für Videos hochgeschickt wurden; sie sind länger als das Zeug, das ich aufgenommen habe! Aber mein Akku hat gerade noch 12 Prozent Saft und ich werde das Gefühl nicht, dass diese 12 Prozent die letzten dünnen Fäden sind, die mich mit der Außenwelt verbinden!
Ihr müsst mich hier rausholen!
Ich werde zwar jetzt selber versuchen hier abzuhauen, aber ich weiß nicht, ob ich das schaffe!
Das verdammte Kaff ist zwar total abgelegen, aber wenn ich euch sage, wo ihr wann abbiegen müsst, werdet ihr es garantiert trotzdem finden!!! Ihr müsst erstmal in die Fränkische reinfahren und dort einfach der [FEHLER] folgen, in [FEHLER] müsst ihr nach [FEHLER] abbiegen und dann unbedingt an der [FEHLER] vorbei um das [FEHLER] nicht zu verpassen! Und wenn ihr euch unsicher seit, richtet euch einfach nach [FEHLER] – zwar kann es dann immer noch sein, dass ihr in eine falsche Seitenstraße abbiegt und auf einem Holzweg strandet, aber wie viele von diesen verfluchten Sackgassen kann es schon geben, oder? Ich geb euch auch die vollständige Adresse. Zwar wird euch das Navi irgendwann im Stich lassen, aber es wird euch wenigstens in die richtige Richtung schicken! Also raus das Navi und rein mit der Adresse: [Dieser Teil der Nachricht konnte nicht übermittelt werden]
[Upload-Service momentan nicht verfügbar. Bitte später erneut versuchen]
Ihr müsst das hier dringend lesen!
Meine letzte Nachricht geistert noch irgendwo in der Upload-Warteschleife herum und lässt sich da nicht mehr raus löschen, deswegen kann es sein, dass sie euch trotzdem irgendwann unter die Augen kommt! Vergesst, was dort steht! Ihr dürft hier auf keinen Fall herkommen!!!
Ich bin hier nicht alleine!
Ich hab sie gestern Nacht gesehen!
Erst hab ich das für einen Fiebertraum gehalten: Schwarze Gestalten, ohne Mund, ohne Augen, ohne Gesicht; die sind um mich herumgeschlichen, haben mich angeglotzt und an mir geschnuppert, als wäre ich ein gottverdammter Weihnachtsbraten!!! Alles klar, Baby, sonst noch was? Aber dann hat mich eines von diesen Drecksdingern an den Füßen gepackt und aus dem Bett gezerrt; ich bin so hart mit dem Kopf auf den Boden gekracht, dass die Fenster vibriert haben! Können einen Fieberträume aus dem Bett zerren? Wäre mir neu, verdammt nochmal!
Die ganzen Schnitte platzen wieder auf (es SIND Schnitte und keine Kratzer! Ich sehe das Arschloch, wie es mit dem Messer in der Ecke steht und auf seinen Moment wartet!) Ich kann mich kaum rühren, weil alles so übel entzündet ist, dass ich Sterne sehe und vor Schmerz fast kotzen muss, wenn ich mich bewege. Da krümme ich mich also auf dem Boden, und versuche wieder Luft zu bekommen, als der Typ mit dem Messer seine Chance sieht und rüber kommt, sich runterbeugt und allen Ernstes anfängt in die alten Schnittwunden reinzuschneiden, als wollte er das Fleisch vom Knochen lösen!
Jähzorn und Selbsterhaltung erwachen und überlisten den Schmerz; meine Faust schnellt vor und klatscht ihm ins Gesicht; sie klatscht buchstäblich! Es sind nämlich keine Knochen, auf die meine Knöchel treffen, sondern eine seltsame, warme Pampe, die sich wie Pudding um meine Finger schließt; scheißegal, ich mobilisiere meine letzten Kräfte und strample das Drecksding mit den Füßen von mir; es taumelt rückwärts und ich kann ihm eine Faust von dem schwarzen Glibberzeug aus dem Gesicht reißen, ehe es tatsächlich umkippt und mit dem nassen Geräusch einer blutigen Schweinehälfte auf den Boden klatscht.
Ich will das Adrenalin nutzen, stütze mich mit beiden Händen am Boden ab und versuche mich hochzudrücken, damit ich wieder auf die Beine komme; aber alles ist rutschig von meinem Blut und meine Arme zittern wie Gelatine. Meine Kräfte verlassen mich, ich kann den roten Boden noch auf mich zurasen sehen, dann blitzt Schmerz durch mein Gesicht und es wird still und dunkel.
Blut und Fieber
Als die ersten Sonnenstrahlen ins Schlafzimmer kriechen, wache ich wieder auf. Mein Kopf dröhnt, meine Sicht verschwimmt im Fieber, und meine zerschnittene Haut fühlt sich so heiß und aufgeplatzt an, als hätte man mich gerade vom Grill gezogen. Doch nur ein Fiebertraum? Aber dann seh ich da diesen schwarzen Glibber, der da aus meiner Faust herausquillt; er ist kalt geworden und ein fauliger Gestank geht davon aus, der so übel ist, dass sich mein Magen in Krämpfen zusammenzieht; so muss es riechen, wenn man den Inhalt aus dem Bauch eines toten Wolfes schneidet!
Irgendwann schaffe ich es, aufzustehen, und schleppe mich die Treppe runter. Das Fieber ist so stark, dass meine Zähne aufeinanderklappern. Scheiß drauf, ich hab immerhin ein Auto, oder? Nur bis runter ins Kaff, und wenn ich direkt durch den Wald fahren muss! Meine Autoschlüssel hängen an der Tür. Die Zentralverriegelung funktioniert nicht, aber vielleicht bin ich einfach noch zu weit weg.
Ich verlasse das Haus, der Wind ist schneidend kalt und fegt mich fast von den schwachen Beinen; die Kühlerhaube ist meine Rettung, ich stütze mich daran ab und versuche wieder zu Atem zu kommen. Die Zentralverriegelung öffnet nicht, und als ich die Tür mit der Hand aufschließen will, sehe ich den Grund dafür: Dort wo die Ziffern einer Digitaluhr leuchten sollten, ist es schwarz. Die Batterie ist leer. Ich sacke fast zusammen.
Ich kenne jetzt das Geheimnis!!!
Dann sehe ich etwas. Da ist dieser unscheinbare Anbau am Haupthaus. Nichts Interessantes, hat man mir gesagt, nur ein altes Gästehaus, das jetzt als Holzlager dient. Aber durch das Fenster kann ich sehen, dass da jemand ist. Ein Gesicht, Fleisch und Blut und Haut und Knochen! Mit Sicherheit keine gute Idee, hier irgendjemandem zu vertrauen, aber ein Mensch ist besser, als eines dieser schwarzen Scheißkreaturen. Und die nächste Nacht kriecht schon wieder näher.
Auf wackligen Beinen schleppe ich mich auf den Anbau zu. Der Kater beginnt mich zu umschleichen und wimmert kläglich, als ob er mich warnen möchte, und wahrscheinlich hat er Recht, aber verdammt, je mehr ich von diesem Gesicht erkennen kann, desto mehr zieht es mich an; es kommt mir so wahnsinnig bekannt vor! Vielleicht der Typ aus dem Ort, der mit dem Blaumann? Hoffnung oder Fieber oder beides treibt mich weiter, aber trotzdem hebe ich einen Stein vom Boden. Notfalls schlage ich dem Bastard den Schädel ein. Ich stolpere gegen das kleine Fenster, wische den Staub weg …
Und der Stein gleitet aus meinen Fingern.
Was mich da anstarrt, ist mein eigenes Gesicht.
Ich lasse die Hände sinken. Mein Atem beschlägt auf der Scheibe und ich muss sie immer wieder abwischen. Aber mein Gesicht bleibt. Es hat die Augen geschlossen. Auch sein Atem beschlägt auf der Fensterscheibe.
Das Fieber summt in meinem Kopf und ich kann spüren, wie das Adrenalin meine letzten Kräfte verbrennt. Ich klaube den Stein wieder vom Boden. Öffne vorsichtig die Tür zum Anbau und drücke sie leise auf. Der Gestank, der mir ins Gesicht schlägt, nimmt mir fast den Atem; er ist so dick und intensiv, als würde man mir den schwarzen Glibber dieser Dreckskreaturen in Mund und Nase schmieren.
Aber der Anblick meines Doppelgängers lässt mich weitergehen. Der Stein in meiner Hand zittert. Es ist kein Doppelgänger. Noch nicht. Nur der Kopf sieht aus wie meiner. Der Rest besteht aus einer schwarzen Masse, Arme, Beine, Körper. Ein Messer steckt in seiner schwarzen Gallert-Faust, und ich kenne dieses Messer. Jede Nacht hat es an mir herumgeschnitzt, wie an einer beschissenen Holzfigur. Dieses verdammte Drecksding will mich nachbilden. Ich bin diesem Geschöpf so nahe, dass ich es atmen hören kann, dass ich sehen kann, wie maskenhaft und glatt und unvollständig meine eigenen Gesichtszüge noch sind.
Ein beherzter Schlag mit dem Stein, und … Aber ich erinnere mich an gestern Nacht. Vermutlich würde der Stein einfach in dieser schwarzen Pampe versinken und bestenfalls das Ding aufwecken, damit es mir gleich hier und jetzt das Messer in den Bauch rammen kann.
Nein.
Mir wird klar, was das hier ist.
Warum diese ganzen Housesitter so dümmlich grinsen, wenn sie aus [FEHLER] zurückkommen.
Warum sie so überschwängliche Loblieder auf dieses Haus schreiben, auf die Bewirtung, auf die Lage.
Es ist eine verdammte Falle!
Sie tauschen uns hier aus!!!
Ich muss das Haus erreichen und aufschreiben, was ich hier entdeckt habe.
Ich muss euch warnen.
Lautlos stehle ich mich aus dem Anbau und schleiche zurück zum Haus.
Ein letztes Mal drehe ich mich zu dem Doppelgänger-Ding um.
Es hat die Augen aufgeschlagen.
Reingefallen!
Jaaaa, ich weiß, es war total offensichtlich und die zusammengestümperten Videos sind eine ziemlich magere Hommage an The Blair Witch Project. Aber mei, es geht ja auch um den Spaß bei der Sache oder? Und dann die Story… Jedes Suspense-Klischee, das man verwursten kann… Uuuuuh, ängstliche Anwohner, uuuuuh, nächtliche Geräusche, uuuuuuh, Stromausfall (wie passend, dass die Videos trotzdem hochgeladen werden konnten, was?) Und dann der Final Twist. Schwarze Glibberviecher, die Housesitter kopieren wollen? Na ja. Vielleicht hats euch ja trotzem ein bisschen Spaß gemacht. Und dieses Haus hier IST ein Traum! Ihr müsst das echt auch mal machen. Egal, was ihr vor habt! Für die Uni lernen, Bücher schreiben, in Ruhe Netflix gucken, was auch immer: Es ist hier eine Oase der Konzentration! Guckt einfach mal in das Video rein. Da sag ich noch bissl was dazu und ihr erfahrt, was ihr tun müsst, um selbst hier Housesitter werden zu können!
Ohhh Gott????
Irgendwie tut mir Alf ja jetzt schon leid…
Wer weiß woher die Kratzer kommen…und was da für Mächte im Haus aktiv sind??????
Bin gespannt wie es weitergeht…